Hallo Diana,

vielen Dank für Deine Antwort.

Zitat Zitat von Diana S.
Ich denke, wer sich hier und jetzt, in der Zeit in der wir leben und in der nur Schindluder mit den Tieren getrieben wird, grundsätzlich gegen eine Kastration ausspricht, der hat nicht lange genug hingesehen was da draußen passiert.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Kastration, auch wenn vielleicht der Eindruck entstanden sein könnte. Aber eine Kastration muss Sinn machen und sie darf das Tier nicht wesentlich beeinträchtigen. Somit spreche ich mich z. B. gegen die "Frühkastration" oder die Kastration weiblicher Tiere ohne medizinischer Indikation aus. Eine Abwägung muss immer stattfinden und so ist es sicher unumgänglich, männliche Tiere in gemischten Gruppen zu kastrieren. Auf einen bloßen Verdacht hin weibliche Kaninchen pauschal zu kastrieren, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die angeführten Argumente sind nachweislich nicht zutreffend.

Ich muss und will niemanden von irgend etwas überzeugen, ich stelle lediglich meine Meinung anderen gegenüber. In der Regel mache ich das erst dann, wenn ich mich ausreichend über das betreffende Thema informiert habe. Leider ist das bei der "Gegenseite" oft nicht der Fall und deshalb sind die Diskussionen dann halt recht unergiebig. Da gebe ich Dir Recht. Was ich heute nur empfehlen kann (war auch bei mir eine Lernsache mit Aha-Effekt) - traue keinen Aussagen in Quellen, die auf anderen Quellen beruhen, ohne diese vorher geprüft zu haben. Kostet viel Zeit und auch Geld, erspart einem aber Reinfälle. Deshalb wird nicht alles, was in der aktuellen Ausgabe des Buches steht, so in der neuen Auflage wieder erscheinen. Ich habe Dich bei mir auf die Liste jener gesetzt, denen ich mit dem offiziellen Erscheinen aus den verschiedensten Gründen ein Exemplar aufdrängen werde.

Okay, Ich werde Deinen Rat (obwohl er richtig ist), mal nicht befolgen und einfach noch ein paar Fakten zur Kastration nennen
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Ganz allgemein zum Thema Kastration
(hauptsächlich wegen der Fragen von Sandra):

Das sind die relevanten Passagen aus dem Tierschutzgesetz:
Zitat Zitat von TschG
§ 1
Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

[...]

§ 6
(1) Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn
1. der Eingriff im Einzelfall
a) nach tierärztlicher Indikation geboten ist
[...]
5. zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder - soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen - zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird.
Quelle: TierSchG
Dazu die neueste Änderung: Bundesgesetzblatt Teil I, 2013, Nr. 36 vom 12.07.2013; Drittes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes


Das sind Fachkommentare zum Tierschutzgesetz, die bestimmte Aussagen näher erläutern:
Zitat Zitat von Lorz & Metzger (2008)
"Der Grund, der das Verhalten des Handelnden oder Unterlassenden steuert, muss der Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Vernünftigkeit standhalten. Dazu ist erforderlich, dass der Grund intersubjektiv vermittelbar ist. Schon deshalb genügt nicht jeder von einem Menschen benannte Vorteil oder eine Gefühlsregung." (S. 87)

"Indikation ist der nach der tierärztlichen Wissenschaft bestehende Grund zur Anwendung einer bestimmten tierärztlichen Maßnahme in einer gegebenen Lage. Zwingt der Grund zu der vorgesehenen Maßnahme, handelt es sich um eine absolute Indikation, kommen auch sinnvolle alternative Maßnahmen in Betracht, so spricht man von relativer Indikation. Die tierärztliche Indikation ist nicht auf Krankheitsfälle beschränkt. [...] Keine Indikation löst der bloße Wunsch aus, einer denkbaren künftigen Erkrankung vorzubeugen[...]" (S. 175-176)

"Unfruchtbarmachung (Nr 5). a) Sie ist zulässig
- zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung. Die Unfruchtbarmachung kann aus Gründen des Tierschutzes, des Naturschutzes, des Jagdschutzes und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich sein (BT-Drs 13/7015 S 18). Falls Landesverordnungen zum Schutz vor gefährlichen Hunden deren generelle Unfruchtbarmachung vorsehen, ist das nicht mit Nr 5 vereinbar, verstößt gegen Art 31 GG (Kluge-Hartr111g § 6 Rn 6) und ist nichtig. Nr 5 bietet eine Rechtsgrundlage für die Kastration und Sterilisation von Katzen.
- zur weiteren Nutzung oder Haltung. Bei der Nutzung ist an Arbeitswilligkeit, Mastfähigkeit und Fleischqualität zu denken, bei der Haltung vor allem an die Verträglichkeit mit anderen Tieren oder Gefährlichkeit für den Menschen. In diesem Fall dürfen tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen; solche Bedenken können sich aus dem Wohl des Tieres ergeben, etwa seinem gesundheitlichen Zustand oder der Schwere des Eingriffs unter den konkreten Umständen. Auch um die für die Zucht nicht mehr verwendbaren Tiere weiterhin halten zu können, ist die Kastration zulässig." (S. 179-180)
Quelle: Lorz, A.; Metzger, E. (2008): Tierschutzgesetz mit Allgemeiner Verwaltungsvorschrift, Rechtsverordnungen und Europäischen Übereinkommen sowie Erläuterungen des Art. 20 a GG. Kommentar. begründet von Lorz, A.; bearbeitet von Metzger, E. 6., neubearbeitete Aufl. München: C. H. Beck. ISBN 9783406554360

Die prophylaktische Kastration von Häsinnen, um einer möglichen, späteren Erkrankung vorzubeugen, ist also unzulässig bzw. verboten. Im Klagefall könnte man eventuell einen Präzedenzfall schaffen, in dem man versucht schlüssig und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen untermauert unumstößliche Fakten vorzulegen, die eine Notwendigkeit des Eingriffs beweisen. Und genau das ist eben nicht gegeben. Eine grundsätzlich höhere "Tumorinzidenz bei Kaninchen" wurde nachweislich herbeigeschrieben. Wie beim Menschen gibt es zwar durchaus eine genetische Veranlagung sowie den Fakt, dass im höheren Alter eine Zunahme von Tumorerkrankungen zu erwarten ist, aber im Gegensatz dazu gibt es eben Kaninchen, die nie an Tumor erkranken. Das Kastrationen nicht ohne Risiko sind, lässt sich belegen - sie können sogar andere Arten von Krebs verursachen.

Ein geradezu klassischer Fall von Fehlinterpretation und deren Weitergabe sind die vielen Arbeiten von Greene. In zwei Jahren lag dort die Erkrankungsrate bei 0%, in weiteren zwei Jahren bei 0,2 und 0,6%. In einem Jahr stieg die Erkrankungsrate auf einmal auf 12,6% - Und das soll jetzt als Beweis für eine allgemein erhöhte "Tumorinzidenz" gelten? Nicht einmal die Autoren der Studie selbst konnten diesen sprunghaften Anstieg erklären. Trotzdem flossen in späteren Veröffentlichungen immer die hohen Zahlen in die Ergebnisse mit ein und erzeugten demgemäß hohe Durchschnittswerte. Hat schon einmal jemand eine Veröffentlichung gefunden, in der auf diese merkwürdigen Umstände hingewiesen wurde? Ich nicht. Stattdessen wird selbst heute noch in Dissertationen, Fachartikeln usw. im Zusammenhang mit Uterustumoren- oder veränderungen offenbar ungeprüft auf solche Angaben verwiesen. Niemand ist scheinbar in der Lage, mal die Quellen selbst zu lesen. Selbst neuere Statistiken zeigen, das eine höhere "Tumorinzidenz" offenbar nicht gegeben ist. Solche Arbeiten werden natürlich von Befürwortern nicht so gern erwähnt.

Das heißt, wenn man heute in einem Klagefall einen Experten nehmen würde, der im Sinn der prophylaktischen Kastration von Häsinnen auf solche Studien verweist, ginge der Fall krachend verloren.

Es gibt auch Aussagen wie: "Aber allein in unserem Forum gibt es schon so und soviel Uteruserkrankungen...". Solche Feststellungen treiben jeden Statistiker auf die Barrikaden bzw. zu einem Herzkasper. Das würde jetzt aber zu speziell werden.

Das Gesetz lässt Ausnahmen vom Verbot zu. Normalerweise werden in Kaninchenhaltungen Rammler kastriert, um unkontrollierte Vermehrungen zu vermeiden. Da der Eingriff im Vergleich zur Kastration einer Häsin relativ einfacher und risikofreier erfolgt, würde wohl niemand einer Argumentation folgen, in der man schlussfolgert, dass man lieber alle Häsinnen kastriert als die Rammler. Zudem wäre dann immer noch das Risiko verletzungsträchtiger Auseinandersetzungen unter geschlechtsreifen, unkastrierten Rammlern gegeben.

Ich belasse es jetzt mal dabei. Man mag vielleicht noch tausend Argumente finden, Konstellationen konstruieren und eigene Vorstellungen von Moral und Ethik vorbringen - Fakt ist, dass gesetzlich enge Grenzen gesetzt sind. Ich persönlich finde das auch gut so. Wer weiß, was sonst noch als nächstes als überflüssig erachtet wird und rausgeschnitten werden soll...

freundliche Grüße,
Andreas