Hallo Jenny,

da Du Deine eigenen Ansichten zur Kastration auch hier gepostet hast, antworte ich auch hier, damit der Bezug nicht verloren geht.

Du schreibst zwar, dass es keiner juristischen Ausbildung oder Fachkommentare zum Verstehen des Tierschutzgesetzes bedarf, aber Deine weiteren Ausführungen lassen klar erkennen, dass das wohl doch der Fall ist. Du argumentierst (wie andere auch) mit Vorbeugung aus gesundheitlichen Gründen, führst aber §6, Punkt 5 aus dem Tierschutzgesetz an. Dieser Punkt betrifft eigentlich die Nutztierhaltung und Zucht und wird auch z. B. von Hirt und Lorz entsprechend erläutert. Dieser Punkt schließt deswegen auch keineswegs die tierärztliche Indikation aus, die ja, wenn auch mit anderen Worten, im gleichen Punkt mit aufgeführt wird. Manchmal staune ich, wie lax Texte gelesen und falsch verstanden werden.

In Deinen Beiträgen führst Du Standpunkte an, die Deiner persönlichen Sichtweise entsprechen. Die sind dem Gesetzgeber aber egal, ebenso die Darstellungen bzw. Begründungen für Deine Sichtweise. Das Schöne an einer Demokratie und deren Judikative ist, dass alle gleich sind: ob Nutztierhalter, Züchter oder Tierschützer. Stark verkürzt ausgedrückt bedeutet das, dass Du nicht an Deiner Meinung/Einstellung/Moralvorstellung/Sorge/Religion gemessen wirst, sondern an Deinem Handeln. Prinzipiell kann ich Deine Gründe verstehen, aber nicht die Konsequenz daraus, was aber letztlich auch niemanden interessiert. Ich bin kein "Kastrationsgegner", weil es durchaus Fälle gibt, die eine Kastration vernünftig und nötig erscheinen lassen. Dazu gehört die Kastration von Rammlern, wenn eine gemischte Gruppe gehalten wird und die Kastration weiblicher Tiere, wenn sie gesundheitlich begründet ist (tierärztliche Indikation). Letztere kann übrigens auch darin bestehen, dass ein "überschießendes" Hormonsystem nach heutigem, wissenschaftlichen Kenntnisstand vermuten lässt, dass eine schwere Beeinträchtigung des Tieres und/oder von Partnertieren gegeben oder zu erwarten ist. Diese Entscheidung hat aber nicht ein Tierschützer mit vergleichsweise geringem Kenntnisstand zu treffen, sondern ein Tierarzt.

Du schreibst, dass Dich keine "anderslautenden Statistiken" interessieren. Das impliziert, dass Du wissenschaftliche Erkenntnisse ignorierst und allein auf Deine Erfahrungen vertraust. Da die nicht gut sind, liegt es nahe zu vermuten, dass genau diese Ignoranz eventuell ein Grund für Deine Probleme bzw. die Deiner Tiere sein könnte. Dazu gehört eventuell auch ein zu geringes Wissen über die Tiere, was wiederum ein tierschutzrechtliches Problem darstellt, weil ja der Gesetzgeber für die Haltung eines Tieres erforderliche Kenntnisse voraussetzt ("§2, 3.: Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, [...] muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen"). Ein aufgenommenes, krankes Tier muss nicht krank bleiben oder noch stärker erkranken. In einer guten Haltung bessern sich eigentlich Gesundheitszustände. Nicht immer, ich weiß – aber überwiegend. Das ist unsere eigene Erfahrung, weil auch wir kranke Tiere aufgenommen haben.

Wenn man im Rahmen seiner Tätigkeit (Tierschutz) sehr häufig mit kranken Tieren zu tun hat bzw. solche aufnimmt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch der Anteil an solchen Tieren sehr hoch ist, die einen malignen Tumor tragen könnten. Eventuell verstellt das irgendwann den Blick auf die Tatsache, dass Tierquälerei, schlechte Haltung etc. nicht der Normalzustand, sondern Ausnahmen darstellen (auf die Gesamtzahl der Bevölkerung bzw. Tierhaltungen gesehen). Daraus abzuleiten, dass es besser wäre, jedes weibliche Tier pauschal zu kastrieren, ist fatal. Sie kann bedeuten, dass sich Halter dazu entschließen und ihr Tier verlieren, obwohl es niemals erkrankt wäre.

Wenn jemand in seiner eigenen Haltung ständig (bzw. 100%) kranke Tiere hat, ist die Haltung zu überprüfen und nicht pauschal eine Amputation aller Häsinnen vorzunehmen oder zu empfehlen.

Die allermeisten Begründungen der "Befürworter" einer pauschalen Kastration weiblicher Tiere (um die ging es ursprünglich) resultieren aus Beschreibungen, die emotionsgeladen und dramatisch Zustände und Ergebnisse darstellen. Du selbst schreibst, dass Du u. a. auf Grund des Krebsbefundes bei einer Häsin nun alle pauschal kastrieren lässt. Als weitere Rechtfertigung dafür führst Du an, dass bei allen, von Dir betreuten, Häsinnen Gebärmutterveränderungen festgestellt worden wären. Dazu muss man feststellen, dass es eigentlich völlig normal ist, dass sich Organe im Laufe des Lebens verändern. Das gilt für alle Organe. Die Haut z. B. wird oft auch als größtes Organ bezeichnet und an dieser lässt sich schon mit bloßem Auge feststellen, dass sie sich im Laufe des Lebens verändert. Sie altert, wirft Falten, es entstehen Flecken und Pigmentierungen, sie weist Verletzungen und Narben auf - alles völlig normal. Die Haut ist auch bekannt als Entstehungsort für Krebs und aktuelle Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Hautkrebs als Diagnose noch weit vor Uteruskrebs rangiert. Da Dich keine Statistiken interessieren, kannst Du das nicht wissen – der Gesetzgeber weiß das aber sehr wohl. Trotzdem käme ja niemand ernsthaft auf die Idee, einem gesunden Tier das "Fell über die Ohren zu ziehen", weil es vielleicht einmal an Hautkrebs erkranken könnte.

Veränderungen an inneren Organen lassen sich heute schon sehr gut ohne operativen Eingriff feststellen, dazu gibt es eine Reihe guter Untersuchungsmethoden und auch gute Fachliteratur. Warum von Befürwortern diese Möglichkeiten der Vorsorge nicht genutzt werden, verstehe ich nicht.

Was meiner Erfahrung nach die Befürworter ein pauschalen Kastration weiblicher Tiere völlig ausblenden, sind nicht nur die operativen Risiken (die werden dem möglichen "Nutzen" gegengerechnet), sondern auch mögliche Risiken nach dem Eingriff. Weiß wirklich niemand der "Befürworter", dass die vermeintlich gut gemeinte "Krebsvorsorge" z. B. auch Krebs auslösen kann oder wird es schlicht totgeschwiegen? Ich habe noch nie den Hinweis eines tierschützenden Befürworters auf diese mögliche Gefahr gefunden. Oder ist sie nur nicht bekannt? Das würde bedeuten, dass man leichtsinnig etwas empfiehlt oder begründet und das wäre wiederum ein Ausdruck fehlender Kenntnis. Das Ergebnis einer Kastration ist eben nicht immer ein total glückliches und entspanntes Tier in einer tollen harmonischen Gruppe. Nur erfährt man darüber nie etwas. Zumindest nicht in einem Forum. In Fachartikeln aber schon. Wenn man sie liest.

Wenn nach der Kastration oder dem Tod eines weiblichen Tieres Veränderungen an der Gebärmutter festgestellt wurden, muss geklärt werden ob a) die Veränderung für einen früheren Tod verantwortlich sein könnte oder b) den Tod verursacht hat. Absurd wird nämlich die Begründung für eine prophylaktische Kastration weiblicher Tiere dann, wenn sie an Schnupfen, ME, Verstopfung, EC oder einfach nur Altersschwäche gestorben sind und sich bei einer Öffnung herausstellt, dass es auch Krebs hatte. An Krebs oder Veränderungen sterben vergleichsweise nur wenige Tiere, auch wenn eventuell Tumore oder Veränderungen an Organen nach dem Tod festgestellt werden.

Ein hohes Lebensalter ist für Dich ein Ziel für Deine Tiere. Auch hier zeigt sich ein gewisses Wissensdefizit. Das höchste, dokumentierte Alter für ein Wildkaninchen legt bei 11 Jahren. Wildkaninchen in Australien werden durchaus über 6 Jahre alt. Warum das so ist, lässt sich ganz einfach erklären. Mache ich jetzt aber nicht hier, weil es Dich eh nicht interessieren wird. Für das Erreichen eines hohen Lebensalters sollte aber ein Punkt zwingend mit bedacht werden: Lebensqualität

freundliche Grüße,
Andreas