Ja, genau das ist der springende Punkt! (Jetzt ohne Witz)
Heu besteht ja normalerweise überwiegend aus Stängeln. Das sind die Leitungsbahnen der Pflanzen, in denen "schwer zu knackende Bestandteile" im Übermaß vorhanden sind (Rohfasergehalt ca. 18-35%). Die natürliche Nahrung dagegen enthält viel mehr leichter verdauliche Bestandteile und besteht zu ca. 80% aus Wasser (Rohfasergehalt ca. 4-6%).
Die Verdauung von Kaninchen ist darauf ausgelegt, diese schwer zu knackende "Rohfaser" möglichst schnell loszuwerden – sprich schnell durch den Darm zu schleussen und mit dem Hartkot auszuscheiden. (Ein bestimmter Teil an schlechter verdaulichen Fasern wird jedoch wie Cerena schreibt für die Eigenkontraktionen des Darms benötigt, sprich der hält sozusagen die Verdauung in Schwung.)
Am Blinddarm werden nun die groben von den feinen Teilchen getrennt. In den Blinddarm gelangen nur die Partikel, die, wenn sie dort ankommen, kleiner als ca. 0,3 – 0,5 mm und gut verdaulich sind. Mit Hilfe von Flüssigkeit werden sie Ausbuchtungen in der Darmwand entlang in den Blinddarm gespült. Der Verdauungstrakt hat sich hier auf die Beschaffenheit der natürlichen Nahrung optimal angepasst: Viel Flüssigkeit, wenig, aber genügend Rohfaser, und ein ständiger Nahrungsnachschub (großes Nahrungsvolumen), der ein unerwünschtes Bakterienwachstum verhindert.
Bei einer Heudiät fehlt es nun immer an Flüssigkeit. Der Gehalt an unverdaulichen Fasern ist hier im Vergleich zur natürlichen Nahrung immens hoch. D.h., dass bei einer Heudiät viel weniger Partikel in den Blinddarm gehen und der Darm zeitgleich eine Menge nutzlosen Ballast loswerden muss, aus dem er keine Nährstoffe ziehen kann.
Der Blinddarm ist ja bekanntermaßen eine große Gärkammer:
A.K. Wenger, Vergleichende Untersuchungen zur Aufnahme und Verdaulichkeit verschiedener rohfaserreicher Rationen und Futtermittel bei Zwergkaninchen, Meerschweinchen und Chinchilla, Tierärztliche Hochschule Hannover, 1997MORISSE et al (1985) beschreiben die Gefahr von Durchfällen durch eine Ration mit viel Faser und wenig Stärke. Ein reichliches Angebot an fermentierbaren Kohlenhydraten bewirkt, wie auch von HERRMANN (1989) beobachtet, durch die Bildung flüchtiger Fettsäuren eine Absenkung des pH-Wertes im Caecum. Diese wiederum führt dazu, daß sich Clostridien nicht vermehren können. Wird nun mehr unverdauliche Faser und weniger Stärke mit dem Futter aufgenommen, steigt der pH-Wert im Blinddarm und auch der Gehalt an Ammoniak, da die bakterielle N-Fixierung (Bildung von Bakterienprotein) zurückgeht. Die Milieubedingungen sind somit ungünstiger für die normale Flora, und Clostridien können sich gut vermehren. Weiterhin können zu hohe Gehalte an unverdaulicher Faser eine Anschoppung im Blinddarm bewirken (CHEEKE 1983).
D.h., dass durch die einseitige Aufnahme von hohen Mengen an unverdaulicher Faser der Ammoniakgehalt im Blinddarm steigt – der Darm vergiftet sich sozusagen selbst!
Dazu kommt, dass Getrocknetes schneller sättigt, es fehlt also auch am "durchspülenden" Nahrungsvolumen.
Ich hoffe, dass die obrige Erklärung bereits die Frage benatwortet. Ein Wasser- und Mineralstoffverlust ist eine gravierende Sache – da gehe ich völlig mit dir konform!
Daher der Ansatz, bei Durchfall Wasser und Mineralstoffe vermehrt zuzuführen. Und den Durchfall mit einer ausgewogenen, darauf angepassten Ernährung einzudämmen, anstatt den Darm durch eine einseitige Faserzufuhr auf Dauer weiter zu vergiften.
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