Hallo,

Im Fall des Kaninchens kenne ich nur eine Veröffentlichung, in der ein Zusammenhang von EC mit Wiesenbärenklau dargestellt wird:
Rühle, A.; Stiess, V. (2010): Auch Hauskaninchen fressen sich gesund. Selbstmedikation durch Futterselektion. Kaninchenzeitung 15. S. 12-13

Die Erwähnung geht auf Beobachtungen zurück, die einen auffällig höheren Verzehr von Wiesenbärenklau bei Tieren feststellten, die an EC erkrank waren. Den Tieren stand immer eine Auswahl verschiedenster Pflanzen zur Verfügung und sie entschieden selbst über die Aufnahme. Die Anfallhäufigkeit und -heftigkeit wurden meist positiv beeinflusst. Beschrieben wurde der konkrete Fall eines Kaninchens, dass nach der Erkrankung bei einer großen Auswahl von Nahrungspflanzen fast nur noch ausschließlich Bärenklau fraß. Es handelte sich also um Beobachtungen und nicht um "wissenschaftlich begleitete Studien".

Bis vor wenigen Jahren war es noch so gut wie unmöglich, über die Verfütterung von Pflanzen an Heimtiere zu informieren, die im allgemeinen Sprachgebrauch als "giftig" bezeichnet werden. Nur wenigen ist dabei bewusst, dass es bis heute keine allgmeingültige Definition für eine "Giftpflanze" gibt.

Wiesenbärenklau wird bereits seit der Antike von Menschen als Gemüse- und als Medizinalpflanze genutzt. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich in Bezug auf den Einsatz als Heilpflanze in der Regel die Feststellung, dass die Wirksamkeit für den jeweiligen Anwendungszweck nicht belegt sei (z. B. in Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis). Trotzdem kann man sich natürlich die Frage stellen, warum die Menschen dann seit Jahrtausenden bei bestimmten Leiden ganz gezielt eine Pflanze einsetzen, wenn die gar keine Wirkung zeigen soll (bzw. diese nicht belegt ist).

In der DDR wurden Varietäten des Bärenklaus als Nutzpflanze angebaut (siehe Zimmermann, Tokar). Erst später wurde dann auf Grund von Berichten über Hautverbrennungen aus der "Nutz"- eine "Gift"-Pflanze. Wenn einmal dieser Stempel aufgdrückt wurde, ist es vorbei mit dem Nutzen einer Pflanze. Von Klapp wurde für Bärenklau die Futterwertzahl mit "5" angegeben - damit entspricht sein Futterwert dem des Löwenzahns. Trotzdem galt man viele Jahre für Tierschützer als "leichtsinnig", wenn man Bärenklau als Futterpflanze auch nur erwähnte oder sogar empfahl.

Wiesenbärenklau wurde und wird im Humanbereich u. a. bei Erkrankungen eingesetzt, die von krampfartigen Anfällen begleitet werden (z. B. Epilepsie). Bis heute sind die genauen Mechanismen solcher Krampfanfälle nicht exakt geklärt. Deshalb ist auch die medikamentöse Behandlung nicht immer erfolgreich. Eines haben aber alle Medikamente gemeinsam - sie sind z. T. mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden.

In den letzten Jahren gewinnen Pflanzen bzw. bestimmte Wirkstoffe in ihnen wieder etwas mehr Bedeutung. Im Fall des Bärenklau sind es bestimmte Furanocumarine, die untersucht wurden. Bei Mäusen wurden für einige dieser Cumarine krampflösende Eigenschaften nachgewiesen, siehe z. B.:
1. Tosun, F.; Kizilay, C. A.; Erol, K.; Kilic, F. S.; Kürkcüoglu, M.; Baser, K. H. C. (2008): Anticonvulsant activity of furanocoumarins and the essential oil obtained from the fruits of Heracleum crenatifolium. Food Chemistry 107. pp 990–993
2. Luszczki, J. J.; Andres-Mach, M.; Glensk, M.; Skalicka-Wozniak, K. (2010): Anticonvulsant effects of four linear furanocoumarins, bergapten, imperatorin, oxypeucedanin, and xanthotoxin, in the mouse maximal electroshock-induced seizure model: a comparative study. Pharmacological Reports 62. 1231-1236
3. Anticonvulsant and acute neurotoxic effects of imperatorin, osthole and valproate in the maximal electroshock seizure and chimney tests in mice: A comparative study.
In dem 3. Beispiel wurde festgestellt, dass die Wirkung von des natürlichen Cumarins "Imperatorin" mit dem des Medikamentes "Valproat" vergleichbar ist. Das wird der Hersteller nicht gern lesen.

Solche Stoffe kommen natürlich auch in anderen Pflanzen vor und zeigen demzufolge ähnliche Wirkungen, siehe z. B.
4. Agarwal, Chhaya, N. L. Sharma, and S. S. Gaurav (2013): Anti epileptic activity of ocimum species: A brief review. International Journal of Applied Sciences and Biotechnology 1(4). 180-183 (http://www.nepjol.info/index.php/IJA...view/9168/7777)
5. Ocimum sanctum Linn. A reservoir plant for therapeutic applications: An overview. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3249909/

Bärenklau ist sicherlich nicht nur wegen der Furocumarine für Kaninchen interessant, denn in der Regel wird er von vielen Tieren sehr gern gefressen. Prinzipiell sollte man immer etwas genauer hinschauen, wenn sich ein Tier relativ plötzlich und fast ausschließlich auf eine bestimmte Pflanze konzentriert, obwohl die im Gemisch schon immer dabei war. Das heißt nicht, dass das Tier jetzt unbedingt krank sein muss, aber Vorbeugen ist besser als nach hinten fallen...

Ich behaupte nicht, dass Wiesenbärenklau EC heilen kann und immer wirksam ist. Dafür ist das Spektrum der Ursachen für Krampfanfälle viel zu breit. Aber ich weiß, dass er Krankheitsverläufe psoitiv beeinflussen kann.

OT: Bei den Wildkaninchen die ich beobachte, finden sich häufig Verletzungen. Diese Tiere fressen im Vergleich zu anderen auffällig viele Kräuter mit bestimmten Inhaltsstoffen. Es ist interessant zu beobachten, wie schnell oft selbst tiefe, entzündete Wunden ohne jedes Medikament verheilen. Ich habe das zwar dokumentiert, aber "wissenschaftlich belegt" ist es nicht. Dafür fehlen mir die Zeit und das Geld...

freundliche Grüße,
Andreas

Erwähnte Literatur:
Hänsel, R.; Keller, K.; Rimpler, H.; Schneider, G. (1993): Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. Drogen E-O. Bd. 5. Berlin [u.a.]: Springer. ISBN 3-540-52688-9
Klapp, E.; Boeker, P.; König, F.; Stählin, A. (1953): Wertzahlen der Grünlandpflanzen. In: Das Grünland: Organ der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Grünlandinstitute 2/53. 38-40
Tokar, N.(1963): Bärenklau als Futterpflanze und Bienenpflanze. Wiss.-techn. Fortschritt für die Landw. 231-233
Zimmermann, H. (1966): Der Anbau von Bärenklau (Heracleum sosnowski) als Futterpflanze. Wissenschaftl. Zeitschr. d. Humboldt-Universität zu Berlin. (Mathematisch-naturwissenschaftl. Reihe). Jahrg. XV, Heft 2. 291-296