Ich habe als Kind und Jugendliche nicht viele VGs erlebt, die einem Plan folgten. Als ich vor Jahren anfing mich in Beratungsgruppen, etc herumzutreiben, fand ich das erste Mal feste Regeln. Da ich gerne mindestens 120% gebe, gab es irgendwann in meinen Gedanken nur einen einzig wahren Weg. Neutraler Boden, zwei Wochen weder Riech- noch Sichtkontakt und dann würde schon alles klappen. Haha... Heute habe ich für mich die Erkenntnis erlangt, warum ich in den Jahren meiner Kaninchenhaltung einige VGs scheitern sah, obwohl ich ausgerechnet dann immer gängige Methoden verwendete... Ich habe dabei zwar die Regeln beachtet, aber die individuellen Bedürfnisse meiner Kaninchen ignoriert.
Mein Partner und ich pendeln recht häufig in unsere Heimatstadt. Mangels Betreuung vor Ort, ergibt es sich ein paar Mal im Jahr, dass unsere Kaninchen 3 Stunden Zugfahrt hinter sich bringen müssen. Vor Ort wartet immer ein Zimmer, das in ihrer Abwesenheit nur oberflächlich sauber gemacht wurde und Klo und Unterschlupf hat, die sie reichlich markiert haben. Es ist jedes Mal das gleiche Spiel. Ich lasse meine Kaninchen aus der TB und als seien sie nur kurz beim TA gewesen flitzen sie auch nach 3 Monaten direkt in die Kloschale wo Futter wartet. Lore probiert auch nicht jedes Mal aufs Neue, wie sie auf das Bett springen kann mit etlichen Fehlversuchen, wie die ersten Male. Sie springt aufs Bett und macht es sich bequem. Fertig. Der Sprung und der Winkel sitzen.
Gleiches passiert, wenn nach längerem Aufenthalt wir wieder nach Hause fahren. Lillebror hat eine Macke: Er pinkelt immer auf die selbe Stelle aufs Bett. Waschen wir die Decke, tut er es wieder. Lassen wir den Fleck eintrocknen, überprüft er, wenn er ins Zimmer kommt, ob der Fleck in Ordnung ist und widmet sich dann anderen Dingen. Lore und Lillebror waren jetzt über eine Woche bei meinen Eltern. Heute, als ich sie ins Schlafzimmer ließ, ratet mal, was Lillebror machte... Fleck checken, zufrieden sein, Blödsinn machen.
Vor zwei Jahren versuchten wir uns an einer penibel geplanten VG bei meinen Eltern. Zimmer stand ein halbes Jahr leer, war gründlich gereinigt und komplett umgestellt worden, mit neuem Boden und neuer Einrichtung versehen. Lore zeigte nicht die geringsten Anzeichen sich in einer neuen Umgebung zu befinden. Das war ihr Zimmer, rein Koordinaten-Technisch.... Um die Kaninchen nach den klassischen Methoden dazu zu bringen sich auseinanderzusetzen und alles zu klären, hielt ich die Tür des Zimmers verschlossen. Meine Lore war es aber eigentlich gewohnt sich im Haus frei zu bewegen und wollte raus. Außerdem klärt sie gerne Rangordnung mit Rammeln und Rammeln lassen, als gleichberechtig abklären. Fertig. Sie schrie vor Panik, wenn sich das andere Weibchen näherte, weil es sie scheuchen wollte um den Rang zu klären. Irgendwann wollte sie nicht mehr richtig fressen, ein Rammler der extrem territorial war und den ganzen Teppich für sich wollte, verpasste dem anderen, der gerne alles teilt und keine Besitzansprüche macht eine ordentliche Fleischwunde. In meinem Kopf tönte, dass jede VG klappt, wenn man nur diese Regeln befolgt und eisern bleibt. Wir trennten 2 Wochen und versuchten es noch einmal... Fehlanzeige. Wer hätte das gedacht... Dass Lore, die nach 3 Monaten ihr Zimmer wiedererkennt, ihre Kontrahentin, die ihr das Leben schwer macht, innerhalb von 2 Wochen nicht vergessen kann? *Ironieoff* Ich hatte nicht auf das dumpfe Bauchgefühl gehört, dass mir sagte, dass die Kaninchen einfach nicht zusammenpassen. Nicht in der Konstellation und nicht unter diesen Umständen. Aber das war mir damals nicht klar.
Als Lillebror heute so selbstverständlich seinen Pipi-Fleck überprüfte, kam dann endlich die lange fällige Erkenntnis. Andauernd sehe ich mich damit konfrontiert, dass Lore selbst nach so langer Zeit bei meinen Eltern immer noch genau weiß, wo die Absperrung wackelt, wo man hochspringen muss, wo es Futter zu erhaschen gibt und dass, wenn die Badtür offen steht, man, wenn man schnell genug ist und gleich quer durch den Raum hoppelt, noch schnell Klopapier zerfetzen kann.
Lillebror ist nicht irgendein Partner für Lore. Er ist DER Partner. Ich sah ihn und wusste, der passt. Weil er Lore in seiner Art perfekt ergänzt. Ich habe ihn kennengelernt, ich kenne meine Lore. Dann habe ich Lillebror meinem Partner gezeigt. Er sah ihn sich eine halbe Stunde lang an, beobachtete ihn. Und wir wussten, der ist es. Sie vertrugen sich fast sofort. Rammeln, rammeln lassen, gleichberechtigt? Ok. Ganz so, wie Lore das mag. Obwohl beide das Haus kannten, in dem sie ihre VG hatten und sich vorher riechen konnten. Bei der VG hatte ich nämlich schon so viel Einsicht erlangt, dass es sowieso zwecklos wäre zu versuchen das Haus einzuschränken. Und ich war mir sicher, dass die zwei Seelenverwandte sind. Ich weiß nicht, wie meine nächste VG aussehen wird, denn heute habe ich erkannt, dass ich das erst wissen werde, wenn ich die Kaninchen kenne, die in der VG vorkommen und dann entsprechend überlegen muss, welche VG-Form am besten zu ihnen passt.
Das heißt natürlich nicht, dass ich schludrig werde, nachlässig, oder sonst etwas. Nicht einmal, dass ich blutigen Anfängern nicht trotzdem den "Standard-Weg" empfehlen werden. Die Erkenntnis ist für mich, meinen Partner und unsere Kaninchen und vielleicht ein paar Menschen, die ähnlich zwischendurch "hängen" geblieben sind, wie ich bisher.![]()
Lesezeichen