Hallo,
Die 75% liegen doch aber innerhalb der 50-80%?Zitat von ally
Worin besteht denn diese Einschränkung?Zitat von april
Mal ein aktuelles Beispiel, was ganz gut in diese Diskussion passt: Ich habe gestern einer Familie zwei Kaninchen gebracht: In der Familie leben 5 Kinder, zwei Mädels wünschten sich schon ewig Kaninchen (12 und 14 Jahre alt). Ich habe ein Gehege aufgebaut und die beiden gebeten, sich inzwischen eine Schere zu nehmen und schon mal Wiese zu sammeln (die haben einen eigenen Garten). Nach 5 Minuten kam das zwölfjährige Mädel zu mir und zeigte stolz eine Handvoll Gras (die meisten werden wissen, wie groß die Hand einer Zwölfjährigen ist). Sie fragte mich, ob das reicht. Okay, sagte ich, das reicht - für ungefähr 5 Minuten.Darauf sah sie mich mit großen Augen an. Sie konnte sich eben nicht vorstellen, was junge Kaninchen für Mengen verdrücken und was genau sie sammeln soll. Also habe ich ihr die Pflanzen im Garten gezeigt und erklärt dass sie alles fressen können, was da wächst. Sie soll nur Gras sammeln und ihre Schwester nur Kräuter. Dann mischen wir alles und fertig ist die Mahlzeit. Das haben beide auf Anhieb verstanden.
Ich hätte natürlich auch wichtig mit der 80/20-Regel kommen können oder mit zig Gemüsesorten, zu der bei jeder noch erklärt werden muss:"aber nur in Maßen" und was eigentlich prozentual das Maß bedeutet und was alles bläht und nicht bläht und warum man wegen Calcium das Kraut xyz nicht so viel geben darf...
Ob die Mädels jetzt 50/50, 45/55 oder 75/25 Gräser/Kräuter sammeln, ist weitgehend unerheblich - es ist die arttypische Nahrung und tausend Mal besser als jede Alternative dazu. Man kann sich mit Regeln, die keiner versteht und die nicht nachvollziehbar sind wichtig tun, oder eben auf recht einfache Weise versuchen, den Tieren zu geben, was sie tatsächlich brauchen.
Zu der Empfehlung der Zusammensetzung des Futters: im Sommer würde ich den Anteil Gräser/Kräuter = 50/50 nehmen. Das hat verschiedene Gründe:
1. dieser Anteil entspricht weitgehend dem, was ich über Jahre der Wiesenfütterung als Verzehr bei unseren Tieren festgestellt habe,
2. die Zusammensetzung entspricht weitgehend der Nahrung der Wildkaninchen (von Extremfällen wie Dünen-, Küsten- oder Trockengebieten abgesehen),
3. wenn sich jemand nicht gut auskennt und relativ wertlose/unbeliebte Kräuter sammelt, bleibt immer noch ein großer Anteil Gräser, auf den ein Tier ausweichen kann,
4. auf normalen Wiesen gibt es in unseren Breiten so gut wie keine giftigen Gräser - d. h., mind. die Hälfte der Nahrung ist sehr sicher,
5. Kaninchen sind Blattfresser (Folivore) - der Blattanteil bei manchen Kräutern ist aber relativ gering. Der Blattanteil der Luzerne in der Blüte beträgt ca. noch 10 - 15%, der Rest sind Stängel. Mancher denkt vielleicht, wenn er einen Armvoll Luzerne anschleppt, ist das richtig viel zu fressen für das Kaninchen. Tatsächlich ist aber der größte Teil nicht verwertbar bzw. wird üblicherweise verschmäht. Auch in diesem Fall wären noch genügend Gräser vorhanden, auf die ein Tier ausweichen könnte,
6. es ist einfach zu verstehen.
Natürlich soll dieses 50/50-Verhältnis kein Dogma sein. Es gibt Kaninchen, die bevorzugen Kräuter und von diesen wiederum ganz bestimmte. Andere fressen mehr Gras, welches üblicherweise ganzjährig wächst bzw. zur Verfügung steht. Der Kräuteranteil variiert ja schon allein aus der Verfügbarkeit (Saison, Gegend, Wetter, gemähte Wiesen etc.). Außerdem muss die gesamte Futtermenge groß sein genug sein, damit ein Tier auch wirklich die Wahl hat, aus dieser satt wird und seine Bedürfnisse und Vorlieben befriedigen konnte. Man sollte aus dem Ganzen keine Wissenschaft machen.
Wenn man das Futter in großen Mengen und großer Vielfalt unsortiert von ganz normalen Wiesen holt, ist es aus meiner Sicht unmöglich, ein Kaninchen zu vergiften. Auf Feuchtwiesen oder an Uferrändern gibt es zwar schon eher mal Pflanzen, die als giftig gelten, aber die lässt jedes Tier liegen. Die sekundären Pflanzenstoffe, die die Giftwirkung hervorrufen, sollen ja u. a. Fressfeinde vom Verzehr der Pflanzen abhalten - durch Geruch und/oder Geschmack. So mancher ist der Meinung, dass ein Tier trotz deutlicher Warnsignale wie z. B. eines sehr bitteren Geschmacks trotzdem im Übermaß diese Pflanze frisst. Das ist aber nur dann der Fall, wenn es sonst nichts weiter oder besseres zur Verfügung hat.
Die Sinne des Kaninchen sind deutlich besser ausgeprägt als beim Menschen, trotzdem meint dieser, er sei dem Tier überlegen und sortiert Pflanzen, die seiner Meinung nach schädlich sein könnten. Tatsächlich wird es wohl aber eher der Fall sein, dass er dem Tier ausgerechnet solche vorenthält, die dieses gern hätte oder gar braucht. Über die sekundären Pflanzenstoffe ("Gifte") schützen sich ja Pflanzenfresser z. B. auch vor Parasiten.
Sicher hat jeder seine eigenen Erfahrungen und auch bessere Ideen für Empfehlungen, die verständlich und vor allem nachvollziehbar sind. Die Hauptsache ist doch aber, die Tiere bleiben mit der jeweiligen gesund.
Wenn man die verschiedenen Beiträge von jenen liest, die relativ freizügig Wiese füttern, unterscheiden sich die Vorstellungen eigentlich nur marginal bzw. um Nuancen.
Um mal nicht nur Hauskaninchen beim Fressen zu zeigen, sollen die folgenden Bilder einen Eindruck vom Habitat verschiedener Gruppen von Wildkaninchen vermitteln. Sie zeigen das, was ich meine - denn das, was man da als Grünes sieht und was die Tiere fressen, geben wir auch unseren Tieren als Auswahl.
freundliche Grüße,
Andreas


 
			
			 
 
				


 
					
					
					
						 Zitieren
  Zitieren
Lesezeichen