Man könnte die Frage mit "Kaninchen brauchen kein Heu. Aber es sollte dennoch stets zur freien Verfügung angeboten werden." beantworten.

In freier Natur fressen Kaninchen praktisch kein Heu. Ihre natürliche Nahrung besteht hauptsächlich aus frischen Gräsern und Kräutern. Sie enthält sehr viel Wasser, ein wenig strukturierte Rohfaser mit leicht verdaulichen Bestandteilen und ist in ihrer Zusammensetzung in vielerlei Hinsicht einzigartig. Wild- und Hauskaninchen sind perfekt auf ihre natürliche Nahrung angepasst. Bei einem ausreichenden Nahrungsangebot zupfen sie sich gerne die blättrigen Bestandteile der Pflanzen und die Blattspitzen ab und sortieren viele "minderwertige" Stängel aus.

Heu ist nun ein Produkt, das entsteht, wenn man die natürliche Nahrung von Kaninchen (also Wiese) trocknet. Dabei verändert sich die Zusammensetzung des Pflanzengemischs so nachteilig, dass es aus mehreren Gründen keine gute Hauptnahrung mehr für Kaninchen abgibt. Heu enthält z.B. kaum noch Wasser und recht viel unverdauliche Fasern. Neben leicht verdaulichen Bestandteilen geht z.B. auch ein Großteil der Nährstoffe verloren. Die blättrigen Bestandteile, die Kaninchen in freier Natur bevorzugt fressen, zerbröseln größtenteils bei der Verarbeitung, während die verholzten Stängel übrig bleiben.

Heu wird nun aufgrund der anderen Zusammensetzung "anders verdaut", als Wiese. Da spielt unter anderem auch der Trennmechanismus am Blinddarm mit rein. Eine Heudiät dadurch kann früher oder später unter anderem zu heftigen Verdauungsproblemen führen.

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Nun könnte man sich die Frage stellen, woher die Aussage kommt, dass Heu so wichtig für Kaninchen ist. Darüber kann man leider nen ganzen Roman schreiben . Im Groben hat es damit zu tun, dass heutzutage viele Kaninchen nicht mehr mit ihrer natürlichen Nahrung (oder anderem frischen Grün) ernährt werden, sondern schlecht strukturiertem Futter wie Pellets, Buntfutter, Möhren & Co.

Man hat in der Forschung und in der Praxis schnell erkannt, dass der schwach bemuskelte Verdauungstrakt von Kaninchen für die Eigenkontraktion eine bestimmte Menge an Fasern braucht. Und haltbar gemachte Wiese schien da eine naheliegende Lösung, die man günstig in Tüten packen und lagern konnte. Wenn man auf diese Erkenntnis noch eine gute Portion an Missinterpretation drauf packt, haben Autoren, Tierärzte und Tierschützer dann mangels Informationen viel dazu beigetragen, Aussagen wie "Heu ist das Brot der Kaninchen" zu etablieren.

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Das heißt aber nicht automatisch, dass Heu schlecht ist. Im Gegenteil: Es ist ne tolle Sache, wenn ein hochwertigeres Produkt zwanglos angeboten wird. Für viele Buntfutterkaninchen dürfte es ne echte Bereicherung auf dem Speiseplan sein. Und für so manches Wiesenkaninchen z.B. ein super Knabbermaterial zwischen den Mahlzeiten. Wenn eine entsprechende Auswahl an Futter da ist, entscheiden Kaninchen normalerweise ganz gut selbst, wieviel Heu ihnen gut tut. Nur zum Heu futtern zwingen sollte man sie halt nicht.