"Noch ein zweites spezielles Ernährungsproblem der Lagomorphen muss hier erwähnt werden. Durch Boback, Petzsch und Gaffrey wurde ab 1951 auf Grund mannigfacher lndizien aus Gefangenschaft und freier Wildbahn wiederholt der Verdacht ausgesprochen, dass freilebende Lagomorpha zusätzlich zu ihrer Pflanzennahrung weit mehr tierische Kost aufnehmen, als bisher bekannt ist. Vor allem wurde die Frage erörtert, ob der Feldhase in Jahren von Mäuseplagen nicht etwa als Mausefeind aufträte und in größerem Ausmaße Mäuse verzehre? - Wohl nicht zuletzt im Hinblick auf den delikaten Hasenbraten fand diese etwas unangenehme These zahlreiche Ablehner. Auch Koenen bekämpft sie leidenschaftlich in seiner kleinen Feldhasenmonographie (1956). 1958 veröffentlichte jedoch Gersdorf eine Reihe von neuen Beobachtungen an Feldhasen aus freier Wildbahn, die die Richtigkeit solcher Vermutungen noch wahrscheinlicher machen. Weitere Beobachtungen sind aber zur letzten Klarstellung dieses Problems noch immer notwendig. Fest steht jedenfalls, daß der nordische Schneehase in Freiheit sehr begierig nach zusätzlicher Fleischnahrung ist und vor allem gern aufgefundenes Wirbeltieraas frisst. Vielleicht verzehrt er sogar Lemminge, wie das ja auch vom Ren, als sonst vorwiegend pflanzenfressender Hirschart, nachgewiesen ist. […] Im Zoo Halle lebten nach dem zweiten Weltkrieg jahrelang ein in Gefangenschaft aufgezogenes Wildkaninchen und ein ebenfalls derart groß gewordener Feldhase friedlich in einem gemeinsamen Käfig zusammen. In Ruhe lagen sie immer eng aneinandergekuschelt. Nie wurde zwischen beiden, auch nicht am Futter, irgendwelche Streitigkeiten beobachtet. Übrigens waren beide besonders gierig auf Pferdehackfleisch, das ihnen zusammen mit reichlicher und abwechslungsreicher Pflanzenkost geboten wurde. Auch an gereichten größeren Knochen haftende Fleischfetzen wurden eifrig und säuberlich von beiden gemeinsam abgenagt."
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