Kurze Zusammenfassung, wie die Infektion mit E.Cuniculi verläuft
Nach der oralen Aufnahme der E.Cuniculi-Organismen verbreiten sich die Sporen über den Darm. Von dort wird über die Blutbahn zunächst gut durchblutetes Gewebe (Niere, Lunge, Leber) befallen, und erst danach das Zentralnervensystem.
Dies erklärt möglicherweise, warum Durchfall und Nierenprobleme vielfach als Erstsymptome auftreten.
Die Spore verwendet zwei Arten, um in Zellen einzudringen. Einerseits nutzt sie es aus, dass Fresszellen sie aufnehmen, welche sie dann als Wirtszellen benutzt. Andererseits besitzt sie ein sogenanntes Pol- oder Polarfilament, das man sich am besten vorstellt wie eine Harpune an einer Schlinge oder einem Seil. Die Spore schiesst ihre Harpune auf eine Zelle, perforiert damit die Zellwand und dringt in die Zelle ein.
Einmal in der Zelle angekommen, wird E. Cuniculi mit Zellteilung und Vermehrung beginnen. Da sich nicht alle Sporenabkömmlinge gleich schnell vermehren, befinden sich nach ca. 48 Stunden neue ausgebildete Sporen und viele Organismen im Zwischenstadium in der Zelle. Wenn genügend Sporen und Abkömmlinge in der Zelle sind, platzt die Zelle und gibt die Erreger frei, die sich nun neue Wirtszellen suchen. Damit ist die Zelle zerstört, was die irreparablen Schäden erklärt, die das Kaninchen durch eine E. Cuniculi Infektion erleidet.
Die Immunantwort des Kaninchens auf die Infektion erfolgt sowohl innerhalb der befallenen Zellen (zelluläre Immunantwort) als auch in Blut oder Lymphe (humorale Immunantwort).
Die zelluläre Immunreaktion ist von sehr grosser Bedeutung. Innerhalb der Zellen werden spezielle weisse Blutkörperchen versuchen, die Sporen zu eliminieren. Die T-Helfer Zellen mit dem schönen Namen CD4+ werden spezielle Moleküle herstellen, z.B. Stickstoffverbindungen, um die Sporen abzutöten. Von überlebenswichtiger Bedeutung sind jedoch die Killerzellen CD8+ (auch T-Helferzellen, nur eine andere Art), die Zellen abtöten können.
Es ist gezeigt worden, dass diese körpereigene Immunantwort aus CD8+ überlebenswichtig ist. Mit Hilfe von speziellen Proteinen, den Cytokinen, und hier offenbar vor allem des Gamma-Interferons, werden die CD8+ Zellen überhaupt angeregt. Fehlt die Fähigkeit zur Bildung von gamma-Interferon oder von CD8+ Zellen, z.B. bei speziell genmanipulierten Mäusen, ist ein Überleben der Infektion nicht möglich.
Obwohl die CD4+ Zellen nicht überlebenswichtig sind, ist zumindest für den Menschen belegt, dass sie insbesondere dann an E. Cuniculi-Infektionen erkranken, wenn ihr Bestand n CD4+-Zellen sehr gering ist. Dies ist regelmässig bei HIV-positiven Menschen nach einiger Zeit der Fall.
Ausserhalb der Zelle werden Antikörper gegen E. Cuniculi gebildet, die alleine zwar nicht in der Lage sind, die Erreger zu vernichten, aber offenbar verstärkend auf die zellulären Immunprozesse wirken.
Es wird angenommen, dass ein ansonsten gesundes Kaninchen die Infektion sehr lange kontrollieren kann, indem es zwar den Erreger nicht vollständig eliminiert, aber doch eine Art Gleichgewicht herstellt. Die Immunreaktion ist jedoch eine gewisse Belastung, und infizierte Kaninchen sind insgesamt anfälliger für Krankheiten. In Situationen mit grossem Stress oder infolge der Alterung des Tiers kann das Gleichgewicht u.U. nicht aufrecht erhalten werden und es zeigen sich klinische Symptome.
Wie wirkt Fenbendazol (Panacur)?
Zur Behandlung der E.C. Infektion nach Auftreten der klinischen Symptome gilt Fenbendazol als Mittel der Wahl. Fenbendazol ist ein Mitglied der chemischen Familie der Benzimidazole und es gilt, zusammen mit Oxfendazol und Albendazol zu den wirksamsten Benzimidazolen, weil sie nicht so schnell verstoffwechselt werden (erst nach etwa 13 Stunden). Oxfendazol und Fenbendazol sind gegenseitige Stoffwechselprodukte, können also mit relativ wenig Umstand im Körper ineinander umgewandelt werden.
Fenbendazol bindet ein Protein, das für die Bildung neuer Sporen unverzichtbar ist und somit der Spore nicht mehr zur Verfügung steht. Denn E. Cuniculi ist ein Eukaryot und besitzt somit nicht nur einen Zellkern, indem die DNA untergebracht ist, sondern weitere Organellen in der Zelle, wie Mitochondrien und den Spindelapparat. Der Spindelapparat setzt sich aus Mikrotubuli zusammen, gibt der Zelle Struktur und ist für Form und Bewegung der Zelle massgeblich. Für die Bewegungen der Zelle wird den Microtubuli an den Enden laufend etwas hinzugefügt oder ein paar Glieder abgetrennt.
Der Spindelapparat ist entscheidend für die Zellteilung, da die erforderlichen Bewegungen zur Verdopplung des Chromosomensatzes durch die Microtubuli gesteuert werden. Deshalb führt eine Störung der Microtubuli effektiv zu einer Störung der Zellteilung.
Da sich E. Cuniculi aussschliesslich asexuell durch Zellteilung (Mitose) vermehrt, die Benzimidazole aber die dazu benötigten Proteine für die Microtubuli an sich binden, führt Fenbendazol (wie auch Albendazol oder Oxfendazol) dazu, dass die Sporen sich nicht mehr vermehren können.
Deshalb ist eine Resistenzbildung nicht möglich.
Hier liegt auch der Unterschied zu Bakterien (Resistenz gegen bestimmte Antibiotika). Bakterien besitzen keinen Zellkern, es sind sogenannte Prokaryoten. Nach der Duplizierung der Chromosomen schnürt sich die Bakterie ein und danach sind es zwei Bakterien mit je einem vollständigen Chromosomensatz. Die Resistenzen treten auf, wenn z.B. das Antibiotikum an einem bestimmten Oberflächenmolekül andockt und im Laufe von Mutationen manche Bakterien mit einem Defekt gebildet werden und das Oberflächenmolekül nicht mehr besitzen. Übertragen auf E.Cuniculi wäre daher eine Serie von Mutationen erforderlich, mit denen die Microtubuli entweder ganz ersetzt werden oder E. Cuniculi als einzige in der Gruppe der Eukaryoten (zu denen auch der Mensch und alle anderen komplexeren Wesen gehören) andere Proteine verwenden würde. Das würde einem neuen Zellorganisationsprinzip gleichkommen und somit ein paar Millionen Jahre in Anspruch nehmen.
Und dies ist auch der Unterschied zu den Würmern, gegen die mit Benzimidazolen vorgegangen wurde und die teilweise resistent sind. Ihr Problem ist bzw. war eine Art Vergiftung, der durch kleine Änderungen im Stoffwechsel bis zu einem gewissen Grad ausgewichen werden kann. Denn die Resistenz der Würmer im Falle des Benzimidazoles entfaltet keine Schutzwirkung mehr, wenn die Wümer den Medikamenten nur lange genug ausgesetzt werden; wenn es also gelingt, den Stoffwechsel von Pferd oder Hund zu verlangsamen (z.B. durch Verringerung der Futtermenge).
Unverträglichkeit und Schäden des Organismus
Fenbendazol wurde vor allem etwa 1965-1975 exzessiv hinsichtlich seiner Langzeitschädlichkeit, seiner Schädlichkeit für Embryonen und seiner Veränderungen im Blutbild an einer ganzen Reihe von Tieren getestet (WHO Food Additives). Für das Kaninchen fehlen Untersuchungen zu Langzeitschäden, aber die übrigen Parameter sind völlig unauffällig. Deshalb gilt Fenbendazol als unbedenklich für den menschlichen und den Kaninchenorganismus.
Die Langzeitschäden spielen für die Kaninchen insofern keine Rolle, als ein Ausbruch klinischer Symptome meist erst im fortgeschrittenen Alter erfolgt.
Im Gegensatz zu Fenbendazol können Albendazol und Oxfendazol sehr wohl zu Schäden führen. Albendazol hat sich bei der Anwendung für den Menschen als äusserst potent gegen E. Cuniculi erwiesen, kann jedoch beim Kaninchen zu Schäden am Knochenmark führen. Oxfendazol kann bei Karnivoren zu Nierenschäden führen. Von Albendazol wird man noch mehr hören, weil es in der Tumorverhinderng eine gewisse Rolle spielt.
Wirksamkeit von Fenbendazol
Für Fenbendazol wurde in verschiedenen Studien und Experimenten eine direkte Wirkung nachgewiesen, allerdings nicht unbedingt in 100% der Fällen. Es gibt, am anderen Ende des Spektrums, auch Belege für spontane Selbstheilungen. Fenbendazol kann prophylaktisch eingesetzt werden und hat im klinischen Versuch eine Infektion verhindert bzw. bei bestehender Infektion eine verstärkte Erregerproduktion blockiert (Suter 1991).
In einer Studie mit 145 Tieren haben Sieg/Hein 2007 die Wirksamkeit einer Behandlung mit Fenbendazol in Kombination mit Oxytetrazyklin (Antibiotikum) und Dexamethason (Cortison) getestet. Wesentliches Erfolgskriterium war das Überleben der Infektion nach einer bestimmten Anzahl Tage. Dabei wurde gezeigt, dass die Behandlung mit einer Kombination aus Fenbendazol und Oxytetrazyklin mit einer Überlebensrate von 60% tendenziell besser abschneidet als Oxytetrazyklin alleine (40%). Durch Dexamethason wurde keine Verbesserung erreicht, unabhängig von der Therapieform.
Als Therapievorschlag wurde daher genannt: Oxytetrazyklin in Kombination mit Fendenbazol, dazu Vitmin B und allenfalls Infusionen, bei Anfällen Diazepam und für de Begleittiere ebenfalls 10 Tage Fenbendazol.
Quellen:
Gut verständlich und man muss das gamma-Zeug ja nicht lesen:
Flock 2010: Enzephalitozoonose beim Kaninchen - eine retrospektive Auswertung, Diss München 2010, Flock U.
Jass 2004: Evaluierung von Liquorpunktion und PCR zur klinischen Diagnose der Enzephalitozoonose beim Kaninchen, Diss München 2004, Jass, A.
Sieg 2010: Vergleich verschiedener Therapiemodelle zur Enzephalitozoonose beim Kaninchen, Sieg J. et al., Vortrag an der 18. Jahrestagung der DVG FG InnLab, Düsseldorf
Suter 1991: Prevention and Treatment of Encephalitozoon Cuniculi infection in rabbits with fenbendazole, C. Suter et al. Veterinary Record 2001
Für die harten Immunologen, Microinteressierten und Cytoaffinen:
Cai 2007 : Pharmacokinetics of Albendazole in New Zealand White Rabbits: Oral versus Intraperitoneal Administration, Cai Z-Y et al., Anticancer Research 2007
Eckert: Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin von Horst Zahner, Johannes Eckert, Karl Friedhoff
Franssen 1996: Susceptibility of Encephalitozoon cuniculi to several drugs in vitro, 1996, Franssen F. et al. , Antimicrobial Agents and Chemotherapy
Katiyar 1997 : In Vitro Susceptibilities of the AIDS-Associated Microsporidian Encephalitozoon intestinalis to Albendazole, Its Sulfoxide Metabolite, and 12 Additional Benzimidazole Derivatives, 1997, Katiyar S., Edlind T., Antimicrobial Agents and Chemotherapy
Moretto 2004: Induction of a Rapid and Strong Antigen-Specific Intraepithelial Lymphocyte Response during Oral Encephalitozoonose Cuniculi Infection, Journal of Immunology, Moretto M. et al.
Bouladoux 2003: Rôle de l’interferon- γ (IFN- γ ) dans l’immunité cellulaire anti-microsporidienne. Etude du modèle de la souris déficiente pour le récepteur à l’IFN- γ , infectée oralement avec la microsporidie Encephalitozoon intestinalis., Diss. Paris 2003, Bouladoux N.
WHO Food Additives Series 29, Toxicity of Fenbendazole
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