Ich kann öfter wildlebende Kaninchen beobachten. Bei allen ist so, daß der Ranghöhere den Rangniederen von seinem Platz vertreibt, bzw. dieser ihm ausweicht und Platz macht und Respekt zeigt.

Ein Paar ist vor einigen Jahren auf dem Nachbargrundstück der Pferdepension eingezogen. Dort ist viel Wald und Gestrüpp, daneben die Pferdeweide und ein Obstgarten. Das Ganze direkt am Ortsrand zu den Feldern und Weiden. Ob es immer noch das gleiche Paar jetzt ist, weiß ich aber nicht. Ich habe auch noch nie Jungtiere gesehen. Die zwei fressen abends auf der Weide oder im Obstgarten oder laufen auf dem Sandauslauf. Der Rammler ist sehr dominant. Umkreist seine Frau oft, während sie frißt oder putzt oder nichts macht, rennt auf sie zu und sie kuscht und läuft sofort sehr schnell weg. Er verfolgt sie, sie jagen umher. Manchmal dachte ich schon, er vertreibt einen Nebenbuhler. Doch dann duckt sie sich und beide machen sich ganz lang und beschuppern sich an der Nase und sofort rennt sie weg und er hinterher und umkreist sie wieder. Dann wieder fressen beide ruhig, aber mit Abstand oder es laufen beide normal über die Wiese zum Zaun. Oder sitzen im Abstand von einigen Metern und putzen sich. Nahe zusammen sind sie nie und gegenseitig putzen oder kuscheln machen sie auch nicht. Jedenfalls nciht dort draußen. Sie scheint sehr unterwürfig, er sehr Macho.

Zwei andere Paare kann ich unter meinem Bürofenster sehen. Das Gelände ist groß, mit Baumbestand, Gestrüpp, Rasenflächen und vielen Gebäuden. Es gibt sehr viele Kaninchengruppen, die alle nicht allzuviel Raum haben. Ich sehe immer zwei Paare, welche ca. 2000m² Waldstück und ca. 1000 m² Brachfläche, ehemals Rasen zur Verfügung haben. Daran grenzt das nächste Revier. Die Grenzen werden sehr dominant bewacht. Meistens sind beide Paare gleichzeitig draußen. Die Weibchen beschäftigen sich mit Futtersuche, kommen sich aber nie zu nahe. Beachten sich eher gar nicht. Aber ziehen schon im Abstand zusammen weiter. Die Männchen untersuchen das Gelände und gehen auf Suche nach etwas Interessantem. Der Ranghöhere A macht sich dann bald auf den Weg, den Rangniederen B aufzuspüren. A rennt auf ihn zu, B flüchtet. So rennen sie eine Weile kreuz und quer über die Fläche, bis B sich schließlich versteckt und A sucht ihn und kratzt Löcher. B kommt irgendwann wieder raus und es wird wieder gejagt, bis A genug hat, zu seiner Frau geht und sich in ihrer Nähe hinlegt oder hockt und Pause macht. Sie beachtet ihn nicht, sucht weiter nach Futter. Nach einer Weile steht er auf, putzt sich, umkreist seine Frau. B kommt irgendwann in die Nähe seiner Frau, hält respektvoll Abstand zu A und seiner Frau und dann verkrümeln sie sich irgendwann wieder ins Gestrüpp. A und B sind nett zu ihren Frauen, diese weichen ihnen, aber zeigen keinen übertriebenen Respekt oder direkte Unterwürfigkeit. Es scheint eher so, als daß sie zwar Respekt haben vor ihren Ehemännern, diese sie auch beschützen und sie aber selber bestimmen, wohin sie gehen und wo sie fressen und die Männer ihnen folgen.

Bei mir ist es so, daß Tommi und Eddie Handaufzuchten sind. Sie kennen kein Familienleben. Trotzdem war sehr früh klar, daß Tommi eine geborene Führungspersönlichkeit ist und er kämpfte diese Rolle auch sehr schnell aus. Lotte ordnete sich ihm nach langen Kampf unter. Da Tommi sehr fair ist, akzeptiert sie dies nun auch. Er leckt ihr öfter mal die Augen, wobei er auch schon mal etwas grob vorgeht. Und oft kommt er aus ihrer Richtung gelaufen, wenn ich den Raum betrete. Eddie hingegen ist ein Kindskopf, der auch gerne mal den Chef raushängen lassen möchte, aber keine Führungsqualitäten besitzt und nur rumalbert. Aber weder Lotte noch Tommi finden das besonders spaßig.
Es läuft hier im Prinzip ab wie bei Königs: Der König betritt den Raum, Lotte duckt sich und macht Platz, Eddie wird begrüßt, er muß sich nicht ducken, er ist der Bruder, aber er muß Respekt zeigen und auch schon mal weichen. Wenn König Tommi Zweifel hegt, dann geht er öfter mal durch sein Reich und sorgt dafür, daß seine Untertanen ihm unverzüglich Platz machen.
Seit einiger Zeit ist mir schon aufgefallen, daß Eddie manchmal ziemlich respektlos beim Füttern vorgeht. Eigentlich war Tommi da immer sehr energisch. Aber er hat in letzter Zeit lange ein Auge zugedrückt. Bis vorgestern abend. Da gabs mal wieder klare Ansage und was macht Eddie? Er versucht es auszukämpfen, sieht nicht ein, daß er eh keine Chance gegen Tommi hat. Der ist einfach besser. Lotte hält sich komplett raus. Tommi ist dann sehr dominant und verlangt, daß Eddie weicht. Da er das nicht tut, sondern nicht nur gegen geht, sondern dem Tommi auch noch wütend nachläuft, mußte er dann auf die Sofalehne ausweichen. Tommi sitzt unten und wacht. Irgendwann wird es Eddie zu öde und er kommt herunter und ist dann auch noch so frech und stellt sich sofort dem Kampf. Gestern hat er dann fast den ganzen Tag auf dem Sofa verbracht und Tommi saß gegen seine Gewohnheit am hellen Tag davor und paßte auf. Immer wieder mal flogen die Haarbüschel. Nachts war es dann relativ friedlich. Das wiederholt sich so alle halbe Jahre und dauert ca. 3 Tage, bis Eddie einsieht, daß er damit halt einfach nicht durch kommt, ihn keiner als Chef haben will und er widerstrebend nachgibt. Dann läuft es wieder so lange gut, bis Eddie sich wieder zu gut fühlt