PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Urmel/Ludwig



Alexandra Weth
07.03.2007, 14:27
Ludwig, lieber Schatz,

du bist nicht mehr da und du fehlst uns so.

Noch gut kann ich mich daran erinnern wie du zu mir kamst. Eigentlich wollte ich kein Notfellchen aus Stade bei mir aufnehmen. Es hatten sich so viele Pflegestellen gemeldet, die bereit waren zu helfen. Meine Hilfe wäre nicht mehr nötig, hatte ich gedacht. Und dann kam es doch anders.

Es ging dir nicht gut und der Transport hatte dir sehr zu schaffen gemacht. Nachdem du getrunken hattest, lagst du apathisch da und wolltest von der Welt nichts wissen. Du hattest eine Bissverletzung am Auge, stark mit deinem Schnupfen zu kämpfen und warst so schwach.

Erst langsam bist du aufgetaut und hast dich ein wenig in deinem neuen Leben umgesehen. Als es dir dann besser ging, wurdest du kastriert, was gar nicht so einfach war, weil du einen im Bauchraum liegenden Hoden hattest. Bei der ersten OP gelang es nicht diesen Hoden zu entfernen. Eine zweite Operation war dazu nötig. Dann bildete sich ein Abszess an der Wunde, so dass du innerhalb recht kurzer Zeit drei Narkosen über dich ergehen lassen musstest. Die Impfung gegen Myxo und RHD musste zweimal verschoben werden, weil du so stark geschnupft hast. Dann wiederum wurde bei dir eine Blasenentzündung festgestellt. Eine Erregerbestimmung erfolgte und eine sechswöchige Behandlung mit dem entsprechend wirksamen AB schloss sich an. Deinem Darm machte die AB Behandlung trotz unterstützender Maßnahmen sehr zu schaffen und ein massiver Hefebefall führte zu einem Gewichtsverlust. Du warst schon immer sehr schlank und nun wirktest du fast zerbrechlich. Eine Behandlung mit Nystatin ergab eine Besserung und es sah endlich so aus als würde es dir besser gehen.

Neben den ganzen Sorgen um dich, lieber Schatz, gab es aber auch so viel Freude. Du warst so neugierig, hast deine kleine Nase überall hineingesteckt und wolltest immer bei allem dabei sein. Wenn eine Schranktür geöffnet wurde, dann musstest du unbedingt wissen was darin war. Nichts und niemand war vor dir sicher. Du hast auf den Fensterbänken gesessen und sogar im Waschbecken, wo du meine Zahnpasta ausprobiert hast. Auch die Seife wies Bissspuren auf. Aber wie sollte ich dir böse sein? Ich liebte dich von ganzem Herzen, du kleiner liebenswerter Chaot.

Schon sehr bald wurde mir klar, dass ich dir nicht die Lebensumstände bieten konnte, die deinen Bedürfnissen entsprachen. Du wolltest nicht nur in einer Gruppe von Artgenossen leben, sondern 24 Stunden Auslauf in einer Wohnung haben, in der du dich austoben und auch zurückziehen konntest. Denn du warst häufig müde. Deine Pflegemama konnte dir das alles bieten und noch zwei reizende Kaninchendamen dazu.

Mit ganz schwerem Herzen habe ich dich zu ihr gebracht. Aber als ich sah, wie schnell du dein neues Revier erkundet und Kontakt zu Nicki und Roxy aufgenommen hast, wusste ich, dass es für dich die richtige Entscheidung war. Trotzdem habe ich auf dem gesamten Rückweg geheult, weil ich fürchtete dich verloren zu haben.

So war es aber nicht. Deine Pflegemama und ich haben fast täglich miteinander telefoniert und so wusste ich über deine Abenteuer, deine Vorlieben und auch deine gesundheitlichen Probleme genauestens Bescheid. Wie schon zuvor bekamst du auch bei deiner Pflegemama
homöopathische Medikamente teilweise als Kuranwendung um dein Immunsystem, deine Leber und deine Nieren zu unterstützen. Du hast es gehasst, wenn du das Plantamun, das Hepar compositum und das Solidago compositum einnehmen musstest, aber wir fürchteten, dass die langen AB Behandlungen und die Blasenentzündungen Folgeschäden verursachen könnten.

Dann gab es plötzlich Schwierigkeiten mit deiner Tierärztin. Es hatte sich erneut ein Abszess an deiner Kastrationsnarbe gebildet und sie weigerte sich dich zu behandeln, da sie die Kastration nicht selbst durchgeführt hatte. Leider hatte in Dortmund niemand Zeit dir zu helfen und so bin ich dich holen gefahren. Hier stellte sich dann auch heraus, dass du wieder eine Blasenentzündung hattest. Nach mehreren Wochen der Behandlung in Osnabrück und einigen Veränderungen in der Wohnung deiner Pflegemama, die du einigermaßen verwüstet hattest (du warst eben nicht stubenrein), bist du wieder nach Hause zurückgekehrt. In der Zwischenzeit hatte sich auch die Situation mit deiner Tierärztin geklärt. Mir ist es so schwer gefallen dich noch einmal gehen zu lassen, aber du hättest es nirgends besser haben können, dass war mir bewusst.

Eine kurze Zeit konntest du dein Leben bei deiner Familie ungestört verbringen. Leider entwickelte sich aber wieder ein Abszess an deiner Kastrationsnarbe. Da dass Vertrauen in deine Tierärztin für eine solche OP nicht allzu groß war, hatte ich noch einmal in Dortmund um Hilfe für dich gebeten. Ein zweites Mal wurde dir diese nicht gewährt.

Die OP fand also bei deiner Tierärztin statt und verlief auch soweit gut. Im Verlauf der Heilbehandlung wurdest du dann doch in der Dortmunder Tierarztpraxis vorgestellt, weil die Aussagen deiner Tierärztin so negativ waren. Deine Pflegemama und ich waren krank vor Sorge um dich, so dass ich noch einmal ganz dringend um Hilfe gebeten hatte. Die Wunde sah den Umständen entsprechend gut aus und du wurdest auf ein neues AB (Retacillin) gesetzt.

Deine Wunde heilte langsam aber kontinuierlich. Deine Pflegemama und ich schöpften neue Hoffnung, dass es nun bergauf geht und du endlich eine bessere Zeit erlebst. Wie oft hatten wir zuvor über unsere Befürchtung gesprochen, dass du nicht alt werden würdest, dass du irgendwann diese immer wieder auftretenden Probleme nicht mehr würdest kompensieren können. Eine kurze Zeit waren wir drei glücklich und voller Hoffnung für dich.

Wieder wurde ein massiver Hefebefall festgestellt. Die Behandlung mit Nystatin brachte keinen Erfolg. Du hast dramatisch an Gewicht verloren. Jeden Tag haben deine Pflegemama und ich telefoniert, weil dein Gewichtsverlust durch nichts (bene bac, päppeln, usw.) aufzuhalten war. Und dennoch warst du vom Verhalten unverändert. Die hast gefressen, um Leckerchen gebettelt und mit deinen beiden Mädchen gekuschelt. Deine Tierärztin sah deinen Gewichtsverlust lediglich im Zusammenhang mit der lang andauernden AB Behandlung und den Hefen. Ein weiterer hinzugezogener Tierarzt konnte oder wollte nicht helfen. Ein dritter lehnte die Behandlung ab, weil du das Gnadenhoftier einer Tierschutzorganisation warst. Deine Pflegemama machte sich schließlich mit dir auf den Weg nach Dortmund.

In der Dortmunder Praxis wurden dann massiv erhöhte Nierenwerte sowie ein erhöhter Leberwert festgestellt. Du musstest stationär dort bleiben. Deine Pflegemama hat mehrmals täglich aus Sorge um dich mit der behandelnden Ärztin telefoniert. Als es dir am Donnerstag Abend schlechter ging und wir befürchten mussten, dass du dich in der fremden Umgebung vielleicht aufgibst, beschloss sie wiederum nach einem Gespräch mit der behandelnden Tierärztin, dir am nächsten Tag deine Freundin Roxy sowie deine Lieblingssachen zu bringen. Sie war auf dem Weg zu dir, lieber Schatz, als sie aus der Klinik den Anruf erhielt, dass du in der Nacht gegangen warst.

Du weißt sicher, wie weh es deiner Pflegemama und auch mir tut und wie sehr du uns fehlst. Es ist gar nicht möglich dich und dein Wesen mit Worten zu beschreiben. Wir, die dich gut kannten, können gar nicht aufhören von dir zu sprechen. Du warst ein ganz besonderes und wunderbares Geschöpf. Noch gestern mussten deine Mama und ich doch ein wenig lachen, als wir uns daran erinnerten wie ungnädig du stets beim Tierarztbesuch warst. Du hast immer wie wild mit den Zähnen geklappert und dann in einem für dich günstigen Moment zugebissen. Meine Tierärztin hat sich heute auch sofort daran erinnert, aber böse konnte auch sie dir nicht sein.

Ich bin unendlich dankbar, dass ich dich kennen lernen durfte. Unendlich dankbar bin ich auch deiner Pflegemama, die all das für dich geleistet hat. Ohne ihre gute Pflege und Fürsorge wäre es dir kaum möglich gewesen solange mit solchen verheerenden Nierenwerten zu leben. Viele deiner Freunde aus Stade hatten nicht das Glück wie du, ein anderes Leben kennen lernen zu dürfen. Sie sind schon eher den Folgen eurer katastrophalen Haltungsbedingungen erlegen. Aber auch du, kleiner (B)engel, hast tiefe Spuren davon in dir getragen.

Als ich dich am Freitag aus Dortmund abgeholt habe, hatte ich die Gelegenheit mit der dich behandelnden Tierärztin sprechen zu können. Sie sagte mir, dass deine Pflegemama KEINE Schuld trifft an deinem Tod. Ich wusste das sowieso und ich bin mir sicher, dass auch du es weißt. Sie sagte außerdem, dass sie es ebenso Frau G. mitgeteilt habe, die es allerdings gar nicht wissen wollte. Weiterhin teilte sie mir mit, dass auch wenn du ein, zwei oder auch drei Wochen eher gekommen wärst, nur eine winzige Aussicht bestanden hätte, deinen Tod auch nur um eine kurze Zeit hinauszuzögern. Bei einer Niereninsuffizienz gibt es keine Aussicht auf Heilung.

Heute habe ich das Ergebnis deines EC-Tests erfahren. Du hattest einen Titer von 1:360, was einem mittleren Wert entspricht. Es lässt sich also nicht sagen ob deine Nieren aufgrund des EC so versagt haben oder ob der EC Wert diese Höhe erreicht hat, weil dein geschundener Körper immer schwächer geworden und nicht mehr in der Lage war dieses zu kompensieren. Möglicherweise haben die vielen notwendigen AB Behandlungen deine Nieren so schwer belastet, dass sie versagt haben. Auf diese Möglichkeit hat mich deine behandelnde Tierärztin in Dortmund aufmerksam gemacht. Ich hatte den Eindruck, dass sie dieses für das Wahrscheinlichste hält. Wir werden es nie wirklich wissen.

Liebes Urmelchen, du fehlst uns so furchtbar und es tut so weh.
Ich bin nur froh, dass du nicht lesen kannst, wie über deine Pflegemama nun geurteilt wird. Wie weh würde dir das tun.
In unendlicher Liebe und Dankbarkeit
deine Pflegemama und
deine Alexandra

Vorstand
07.03.2007, 15:48
erster RBB-Beitrag zu Urmels Verlust (http://www.kaninchenschutz.de/vbforum/showthread.php?t=4094)

Susanne aus Hildesheim
07.03.2007, 17:34
Für Ludwig:

"Was heißt Sterben?
Ich stehe an einem Ufer. Ein Boot segelt in der Morgenbrise und steuert aufs offene Meer. Es ist ein herrlicher Anblick und ich stehe da und sehe ihm nach, bis es zuletzt am Horizont verschwindet und jemand neben mir sagt: "Jetzt ist er nicht mehr da." - Nicht da? Wo dann? Nicht da für meine Augen, das ist alles. Die Ferne, das Nicht-da-sein sind auf meiner, nicht auf seiner Seite.

Und gerade in dem Moment, da hier, neben mir, einer sagt "Jetzt ist er nicht mehr da.", gibt es andere, die ihn kommen sehen und andere Stimmen rufen freudig aus: "Da ist er!"
Und das heißt Sterben."


Ich hoffe Du bist gut angekommen!!!

Anne
07.03.2007, 17:47
Hallo Alexandra,

bisher kannte ich nur die Differenzen, die mit Ludwigs/Urmels Tod einhergingen.
Jetzt habe ich das Gefühl, ihn ein bißchen zu kennen. Das finde ich schön.
Alles andere gehört nicht hierher.

Ich wünsche dir alles Gute, damit du diesen Verlust verschmerzen lernst!

Mitfühlende Grüße
Anne

Claudia W.
07.03.2007, 18:08
Hallo Ludwig/Urmel,

tja :heul: was soll ich sagen?

Vielleicht, dass was ich meiner Tochter vorhin gesagt habe, als sie traurig über den Verlust unseres Pflegeninchen war:

Die besten gehen zuerst :sad1:

Ich schick dir einen :ohje: -Gruß hinterher

numaek
07.03.2007, 21:20
Hallo Ludwig (für mich bist und bleibst du Ludwig),

ich möchte mich auch von dir verabschieden.

Ich kann mich gut an dich erinnern, du hast Alexandras Badezimmer unsicher gemacht. Wenn man duschen wollte, musste man zuerst deine Bomben aus der Duschtasse entfernen, im Badezimmer Slalomlaufen, die Türen immer schnell schließen, damit du nicht entwischst, das alles hat dich nur noch liebenswerter gemacht. Du hast deine Freiheit so genossen. Ich bin froh, dass du noch schöne Wochen erleben durftest :kiss: .

Machs gut, du hübscher Silbermann, ich werde dich nie vergessen :sad1: .

Traurige Grüße, Nicole